
Bernd Wiesberger (Foto: Stuart Franklin/Getty Images)
Kein Berg zu steil
Das „Comeback des Jahres“ feierte aus US-amerikanischer Sicht Tiger Woods mit seinem Masters-Sieg, doch auch auf europäischer Seite bejubelt derzeit ein Golfer seine sportliche Wiederauferstehung: Bernd Wiesberger. Der Österreicher kämpfte sich nach einer langwierigen Handgelenksverletzung von Platz 350 der Weltrangliste zurück an die Spitze der European Tour und stellte damit einmal mehr seine Beharrlichkeit unter Beweis.
- 23. August 2019
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Die 13 ist für viele Menschen eine – vorsichtig formuliert – eher problematische Zahl. Für Bernd Wiesberger nicht. Denn sein 13. Jahr als Golfprofessional hielt für den Wiener immer wieder absolute Glücksmomente bereit – obwohl es noch vor Kurzem überhaupt nicht danach aussah. Im Sommer 2018 musste der 33-Jährige seine Saison aufgrund enormer Schmerzen im Handgelenk nämlich frühzeitig beenden. Nachdem sich die Verletzung trotz der eingelegten Pause weiterhin hartnäckig zeigte, folgte eine Operation sowie monatelange Rehabilitation. Doch Wiesberger kämpfte für sein Comeback, trainierte bis zu acht Stunden täglich und kehrte nach sieben Monaten auf die Golfbühne zurück. Auf Rang 185 der Weltrangliste stieg er wieder ins Geschehen ein. Zunächst mit mäßigen Resultaten, welche ihn in diesem Ranking weiter nach unten purzeln ließen. Mitte April dieses Jahres fand er sich auf Position 350 wieder! Ein herber Rückschlag, jedoch kein Grund aufzustecken. „Wenn alles zur täglichen Routine wird und so fest in deinem Leben verankert ist und dann wird es dir auf einmal entrissen, dann freust du dich darauf, es zurückzubekommen und kannst das Gefühl genießen, wieder spielen zu können“, schrieb Wiesberger in einem Blog bescheiden. Voller Freude seinen Lieblingssport wieder ausüben zu können, ging er unbeirrt weiter seinen Weg.
Mentale Blockade
Insbesondere arbeitete der 1,88 Meter große Athlet an der Länge seiner Schläge, mit der er aufgrund einer mentalen Blockade lange Zeit haderte. „Du willst dich zurückhalten, weil du weißt, was beim letzten Mal passiert ist und bist etwas vorsichtig“, beschrieb er seinen Umgang mit dem Driver nach der Verletzungspause. Umso wichtiger sei es für ihn gewesen, schnell zurück zu alter Stärke zu finden und so hart wie möglich zu schlagen, um die einstigen Schmerzen schnell in Vergessenheit geraten zu lassen. Und dieses Konzept zahlte sich aus! Ein Jahr nach seiner Zwangspause stehen jetzt zwei Siege auf der European Tour, die zwischenzeitliche Spitzenposition im Race to Dubai, der Geldrangliste der ersten europäischen Liga, sowie die Rückkehr in die Top 50 der Welt zu Buche – was für ein beeindruckender Wiederaufstieg! Die Motivation, sich derart eindrucksvoll zurückzumelden, bezog er auch aus der Renaissance von Tiger Woods, der im April sensationell das Masters für sich entschied. „Ich habe den Glauben, gewinnen zu können, nie verloren. Und so toll es war, Tiger bei seinem Triumph zuzusehen, ich hätte viel lieber selbst an diesem Sonntag gespielt. Es gab mir sehr viel Motivation, bei diesen Turnieren wieder dabei sein zu wollen“, betonte Wiesberger.
Zurück nach oben
Worte, denen Wiesberger dank seines Trainingseifers in dieser Saison Taten folgen ließ. Ende Mai stand er bei der Made in Denmark nach zweijähriger Wartezeit endlich wieder ganz oben auf dem Leaderboard. Die Glückssträhne war damit aber längst nicht zu Ende, vielmehr bedeutete der Coup im Norden Europas den Startschuss für sein bisheriges Karrierehoch. Nach der Teilnahme an der U.S. Open (76. Platz) steigerte er sich mit T16 bei der BMW International Open sowie T2 bei der Dubai Duty free Irish Open kontinuierlich. Mitte Juli folgte dann bei der Aberdeen Standard Investments Scottish Open der nächste große Triumph. Erstmals in seiner Zeit als Profi gewann Wiesberger ein Event der Rolex Series und sicherte sich ein Preisgeld von mehr als einer Million Euro. Saisontitel zwei war perfekt, die Teilnahme am nächsten Major gesichert – es ging also steil bergauf. Mit seinem geteilten 32. Platz bei British Open wurde er seiner Rolle als Geheimfavorit, die ihm im Vorfeld des Turniers zuteil wurde, zwar nicht gerecht, wieder bei den Big Four dabei zu sein, war für ihn aber der wichtigere Schritt. „Ich habe das Gefühl, da hinzugehören und mitkämpfen zu können“, erklärte der Burgenländer selbstbewusst.
Philosophie fürs Leben
Diesen Willen stellte Wiesberger bereits bei seinem Einstieg ins Profibusiness unter Beweis. 2009, drei Jahre nach dem Ende seiner erfolgreichen Amateurkarriere, qualifizierte er sich für die European Tour. Dort setzte sich der einstige Gewinner der Golf-Schulmeisterschaften seines Landes jedoch nicht gegen die Konkurrenz durch und verlor seine Spielberechtigung postwendend wieder. Doch Aufgeben ist für Österreichs Nummer 1 keine Option! Der Mittdreißiger kehrte auf die Challenge Tour zurück, fuhr dort zwei Siege ein und qualifizierte sich dank seines fünften Platzes in der Jahreswertung erneut für die höchste europäische Liga. Seitdem spielt er ununterbrochen auf der European Tour und feierte ebenda bereits sechs Titel. Seine jüngsten Top-Resultate rühren eigenen Angaben zufolge auch aus dem enormen Beistand seines Umfelds. „Gewinnen ist nie leicht, ich hatte ein hartes Jahr. Aber so viel Unterstützung, das war unglaublich. Ich bin stolz darauf, es auf diese Weise zurückzuzahlen“, erklärte Wiesberger mit Blick auf Freundin Franziska Maurer, seinen Bruder Niki sowie seine Eltern.
Starke Familienbande
Letztere waren der auslösende Faktor für Wiesbergers Golfleidenschaft. Im heimischen Club in Bad Tatzmannsdorf betreiben Mutter Claudia und Vater Klaus nämlich einen Pro-Shop. Entsprechend verbrachten auch die beiden Söhne viel Zeit auf der Driving Range und dem Putting Green, wenngleich die Begeisterung der beiden Jungs zunächst auch etlichen anderen Disziplinen galt. Ob Basketball, Judo, Fußball, Skifahren oder Tennis – Bernd und Niki gewannen jeglicher sportlichen Betätigung etwas Positives ab. Letztlich weckte aber insbesondere beim drei Jahre älteren Stammhalter das Spiel mit der kleinen weißen Kugel anhaltenderes Interesse. Als sich mit den Jahren zeigte, dass Bernd Wiesberger neben einer Riesenportion golferischem Talent auch enormen Ehrgeiz mitbrachte, sich als Berufsgolfer zu etablieren, entschied die Familie, ihn auf seinem Weg tatkräftig zu unterstützen. Niki begleitete seinen Bruder anfangs als Caddie an der Tasche, Mutter Claudia organisiert die Reisen und Vater Klaus kümmert sich als Manager um Sponsoren und Medienbetreuung. Ein klarer Fall von „Familienunternehmen“! Das solide Umfeld gilt denn auch unter Experten als einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren für den zehnfachen Turnierchampion. Ob und wann er selbst einmal eine Familie gründen wolle, dazu äußerte sich der Film- und Serienliebhaber bislang nicht. Auf die Frage, wovon er in 50 Jahren noch erzählen werde, antwortete er in einem Interview aber: „Hoffentlich von einem Major-Titel oder Ryder-Cup-Sieg.“ Die Ziele für die Zukunft sind demnach klar und hochgesteckt. Bernd Wiesberger wird mit Einsatz, Enthusiasmus und Ehrgeiz für sie eintreten – schließlich war seine Beharrlichkeit bisher stets sein Erfolgsgarant.