Daddy Cool
Wie es aussieht, dominiert Dustin Johnson den Profigolfsport der Herren derzeit nach Belieben. Der 32-Jährige reitet seit 2016 auf einer Erfolgswelle und nimmt inzwischen Position 1 der Golfweltrangliste ein. Doch bis dahin war es ein langer, langer Weg! In den Vorjahren hemmten den US-Amerikaner vor allem seine schwierige Kindheit und sein exzessiver Lebenswandel bei der gewinnbringenden Umsetzung seines immensen Talents. Dank der großen Unterstützung seiner eigenen, kleinen Familie gelang es ihm in den vergangenen Monaten, die Schatten der Vergangenheit wohl endgültig zu begraben.
- 27. April 2017
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Wir schreiben den 21. Juni 2015 – den letzten Tag der 115. Auflage der U.S. Open. Während Jordan Spieth damals seinen ersten Major-Titel feierte, kämpfte ein anderer US-Amerikaner mit den Tränen: Dustin Johnson. Anstatt den Putt aus knapp vier Metern an der 18 zum Eagle zu lochen und seinen ersten Triumph bei einem Großevent zu besiegeln, verfehlte seine kleine weiße Kugel das Ziel um einen Meter. Im Nachgang wurde die Entscheidung, den Ball mit so viel Risiko zu nehmen, immer und immer wieder diskutiert. Warum platzierte Johnson nicht ganz konservativ die Kugel an die Fahne, um dann das Birdie sicher lochen zu können? Der vergebene Eagle-Sieges-Putt löste nämlich weiteres Übel aus. Der Mann aus Columbia in South Carolina vergab anschließend auch noch die Chance zum Birdie und somit das Stechen mit Spieth. Letzterer bejubelte überschwänglich seinen Erfolg, während Johnson tief betrübt sein Unglück bedauerte! Und das nicht zum ersten Mal! 2010 verpasste „DJ“ das Play-off gegen seinen Landsmann Bubba Watson und den späteren Sieger Martin Kaymer aus Mettmann bei der PGA Championship, weil er seinen Schläger in einem Sandbunker aufsetzte und dafür einen Strafschlag kassierte. 2011 verlor er bei der British Open denkbar knapp und musste dem Nordiren Darren Clarke den Triumph gönnen. Es war wirklich wie verhext: Zu oft scheiterte der 1,90 Meter große Athlet an sich selbst!
Ein Jahr nach diesem Tiefpunkt war es aber endlich so weit: Johnson reckte erstmals selbst eine der vier begehrtesten Silbertrophäen in den Himmel – die der U.S. Open 2016. Fitness-und Schwungtrainer „Coach Joey D“ Diovisalvi erklärte daraufhin, dass er seinen Schützling noch nie so am Boden zerstört gesehen habe wie ein Jahr zuvor im Oakmont Country Club. „Vom letzten Sommer bis heute hat sich ein neues Vertrauen entwickelt. Damals sagte er wörtlich zu mir: ‚Ich will ein Major gewinnen und die Nummer 1 der Welt sein – dafür werde ich alles tun‘.“
Das war doch mal eine Ansage! Diese dann aber auch so erfolgreich umzusetzen, warf Fragen nach den Gründen für den enormen Aufwind auf. Sicherlich fühlte sich Johnson einmal mehr bei der Ehre gepackt, trotz zahlreicher Titel auf der PGA Tour – bis dato waren es neun, inzwischen sind es 15 – noch keinen Erfolg bei einem der vier Majors für sich beansprucht zu haben. Doch offenbar waren die Ursachen für seine Probleme, extreme Stresssituationen zu meistern, in seinem Privatleben zu finden – allen voran in seiner Jugend.
Schwierige Kindheit
Dustin Johnson erblickte am 22. Juni 1984 als erster Sohn von Kandee und Scott Johnson das Licht der Welt. Trotz einiger glücklicher Jahre, die Dustin gemeinsam mit seinen Eltern und den beiden Geschwistern Laurie und Austin im US-Bundesstaat South Carolina verlebte, prägte den Sportbegeisterten vor allem ein Ereignis: die Scheidung seiner Eltern in den späten 1990er Jahren. Dustin zog gemeinsam mit seiner Schwester zum Vater und litt eigenen Aussagen zufolge enorm darunter, dass seine Eltern mehr als zehn Jahre nicht miteinander sprachen. Während Mutter Kandee weiter für den Staat South Carolina arbeitete, verlor Vater Scott wenig später seinen Job als Golfprofi beim Mid Carolina Club und kehrte der Sportart fortan den Rücken. Sicherlich nicht die beste Vorbildfunktion für einen aufstrebenden jungen Athleten, der seit der siebten Klasse erfolgreich mit seiner Highschool-Equipe abschlug. In der Folge schwänzte Dustin Johnson immer häufiger den Unterricht und wurde vom Golf-Team der Coastal Carolina University suspendiert. Zwei Jahre lang nahm er nur äußerst selten einen Schläger in die Hand, verlor dadurch aber glücklicherweise weder Talent noch Interesse. Als er 2001 wegen Einbruchs und Ladendiebstahls angeklagt wurde, aber mit einer Geldstrafe davon kam, begriff der damals 17-Jährige, dass sich etwas Grundlegendes ändern musste. Zuflucht fand er dabei in der Rückkehr zu seinem Lieblingssport Golf.
Zurück ins (Golf-)Leben
Fels in der Brandung wurde fortan seine Großmutter väterlicherseits, die er liebevoll „Momma Carole“ nannte. Sie war es auch, die wenig später den Golftrainer Allen Terrell bat, Dustin unter seiner Fittiche zu nehmen. Trotz der schulischen Schwächen des jungen Mannes erkannte Terrell sein enormes Potenzial. Rückblickend berichtet er, der seit 2003 nicht von Johnsons Seite wich, über die komplizierte Anfangszeit. „Ich weiß nicht, ob Dustin jemals jemandem zu 100 Prozent vertraute, aber ich glaube, er hat dann einfach erkannt, wie sehr ich an seinen Erfolg glaubte.“ Richtig Fahrt nahm Johnsons Karriere 2007 nach dem Triumph beim Walker Cup auf, den er gemeinsam mit den Teamkollegen– darunter Rickie Fowler, Billy Horschel und Chris Kirk – gegen die Mannschaft Großbritanniens und Nordirlands gewann. Nachdem er im gleichen Jahr auch alle drei Stadien der Qualifying Schools meisterte, glückte Johnson der Sprung ins Profilager. Gleich in seinem Rookie-Jahr feierte der Longhitter bei der Turning Stone Resort Championship in Verona, New York, seinen ersten Sieg auf der PGA Tour. Auch in der Folge wusste sich der inzwischen in Florida lebende Mann in Szene zu setzen und holte bis zum Jahr 2014 in jeder Saison mindestens einen Titel. Damit ist Johnson der erste Spieler seit Golfikone Tiger Woods, der seit seinem Abgang vom College seiner Karrierebilanz jährlich mindestens einen 1. Platz hinzufügte. Zudem entdeckte Johnson sein soziales Engagement. Er gründete 2010 die Dustin Johnson Foundation, die Jugend- und College-Golfprogramme unterstützt. Schließlich war er seinerzeit selbst zu der Erkenntnis gelangt, dass eine intensive Förderung den Weg zu kompletten Spielern ebnen kann – sowohl auf als auch neben den Grüns. Die Welt des Dustin Johnson schien nun absolut in Ordnung zu sein.
Aus der Bahn geworfen
Doch nach sechs Jahren im Profilager erlitt seine Karriere einen weiteren Dämpfer: Im Juli 2014 ließ der damals 17. der Weltrangliste verkünden, er wolle ab sofort und auf unbestimmte Zeit eine Auszeit vom Golfsport nehmen: „Ich werde die Zeit nutzen, um professionelle Hilfe für persönliche Herausforderungen zu suchen, denen ich mich stellen muss.“ Laut des Online-Portals golf.com sperrte die PGA Johnson wegen des unerlaubten Konsums von Kokain für sechs Monate, doch öffentlich bestätigt wurde dies nie. Vielleicht scheuten die Offiziellen die Medienwirkung eines Dopingvergehens. Bereits 2009 wurde Dustin Johnson der Konsum von Marihuana nachgewiesen, 2012 folgte schon einmal ein positiver Kokaintest. PGA und Johnson dementierten den Bericht jedenfalls umgehend und schoben die eigenwillige Entscheidung des Golfers ins Private. Acht Monate später, kurz vor seiner Rückkehr auf die internationale Bühne erklärte er in einem Interview mit ESPN, dass seine Auszeit nicht auf den Konsum des Stimulans zurückzuführen sei, sondern auf seinen exzessiven Lebensstil mit zu vielen Partys und übermäßigem Alkoholkonsum. Gelegentlich habe er zu viel Wodka getrunken und zudem Probleme gehabt, mit Stresssituationen umzugehen, was ihn bei großen Turnieren oft habe scheitern lassen.
Die Familie als Anker
Im privaten Bereich tat sich unterdessen einiges. Im August 2013 hatte er sich nämlich mit Paulina Gretzky, der Tochter von Eishockeylegende Wayne Gretzky, verlobt und im Januar 2015 kam Söhnchen Tatum Gretzky Johnson zur Welt und komplettierte das Paar zur kleinen Familie. Auch die Schwiegereltern in spe, Wayne Gretzky und seine Frau Janet Jones, demonstrierten ihren Support für den zukünftigen Schwiegersohn nun vermehrt in der Öffentlichkeit: Sie reisten zu seinen Turnieren und feuerten ihn an. „Dass ich Wayne Gretzkys Unterstützung habe und er sagt, wie gut ich bin und solche Sachen, das hilft definitiv“, erklärte Johnson einmal auf einer Pressekonferenz und machte deutlich, wie wichtig ihm der Rückhalt seiner Familie ist – vielleicht auch, weil ihm genau dies in den Jahren zuvor so fehlte. Zudem ergänzte er, dass er in seiner Pause vom Profigolf erwachsen geworden sei. „Es war ein harter Weg, aber ein guter. Ich beginne der Mensch zu werden, zu dem meine Kinder aufschauen können“, betonte er in einem Interview kurz vor seiner Rückkehr.
Was für ein Comeback!
Nach der eingangs beschriebenen schwersten Niederlage seiner Karriere bei der U.S. Open 2015 startete er jetzt richtig durch. Der Longhitter, für seine Technik und Fitness bekannt, trainierte noch akribischer und setzte mit seinem eingespielten Betreuerteam auch auf neue Trainingsmethoden, wie 3D-Simulationen. Und die harte Arbeit zahlte sich aus: Seit seinem Sieg bei der U.S. Open 2016 ist Dustin Johnson aus der Weltspitze nicht mehr wegzudenken. Bei zwei weiteren Events der US-amerikanischen Profiliga ging er als Sieger vom Platz, bei der WGC-Bridgestone Invitational und der BMW Championship. Zudem gewann er bei seiner dritten Teilnahme erstmals den Ryder Cup, als er zwei wichtige Punkte holte und mit den Teamkameraden die europäische Equipe mit 17:11 deklassierte. Mit einem Gesamtpreisgeld in Höhe von 9,37 Millionen US-Dollar führte er die Wertung der Geldrangliste an, wurde zum PGA Player of the Year gekürt und erhielt außerdem die Varden Trophy, eine Auszeichnung für den Spieler, der pro Runde durchschnittlich die wenigsten Schläge benötigte. Auch in dieser Saison setzt Johnson seine Erfolgssträhne fort, landete bei seinen ersten sechs Starts fünfmal in den Top Ten und eroberte mit seinem Gewinn bei der Genesis Open sogar die Weltranglistenspitze. Sein Swing-Coach Butch Harmon prognostizierte daraufhin, dass es sich sein Eleve dort wohl auf längere Sicht gemütlich machen könnte. „Dustin ist der Typ, der die Kraft besitzt, oben zu bleiben.“ Tja, warum nicht? Neun Jahre nach seinem Wechsel ins Profilager scheint der Familienmensch endlich mit sich und der Welt im Reinen. Neben der Hochzeit mit seiner Verlobten Paulina wird in diesem Jahr Söhnchen Nummer 2 erwartet – privat läuft es also bestens. Und das ist für Johnson augenscheinlich die wichtigste Voraussetzung, um auch in seinem Beruf als Golfer höchst erfolgreich zu sein.