Der große Däne
Es ist eine wahre Herkulesaufgabe, vor der Thomas Bjørn steht. Der Däne soll nämlich nichts Geringeres vollbringen, als 2018 den Ruf des europäischen Ryder Cup-Teams im Le Golf National in Paris wiederherzustellen, und zwar als Captain. Nach der deutlichen 17:11-Niederlage im vergangenen Jahr gegen die US-Amerikaner tut Wiedergutmachung not. Ausreichend Erfahrung bringt der 46-Jährige für den Chefposten sicher mit, schließlich kann er auf drei Erfolge als Aktiver und zwei als Vize-Captain bei dem berühmten und prestigeträchtigen Kontinentalvergleich verweisen.
- 25. März 2017
- Posted in Sport
- 0
Aber nicht nur im Ryder Cup hat Thomas Bjørn im Laufe seiner inzwischen 24-jährigen Profikarriere immer wieder unter Beweis gestellt, dass er ein besonderer Spieler ist. 21 Siege auf drei Kontinenten machten den Golf-Kosmopoliten zum erfolgreichsten dänischen Golfer aller Zeiten. In der Hauptsache verdient „The Great Dane“ – seine stattliche Körpergröße von 1,89 Metern brachte ihm den Spitznamen ein – sein Geld auf der European Tour, aber auch bei den Majors sorgte er das ein oder andere Mal für Furore.
Eine golfbegeisterte Familie
Das Licht der Welt erblickte Bjørn am 18. Februar 1971 in Silkeborg, einer Kleinstadt in der Mitte Dänemarks, und zeigte sich schon als Dreikäsehoch vom Golfsport begeistert. Er klebte – wie er selbst es beschreibt – förmlich an des Vaters Golftasche, wenn dieser seine Runden auf dem Kurs drehte, und chippte im elterlichen Garten gemeinsam mit seinem vier Jahre älteren Bruder Søren reihenweise die Bälle in ein Vogelbad. Als Thomas sechs Jahre alt wurde, übernahm die Mutter, deren golferische Qualitäten sich in einem 5er-Handicap widerspiegelten, das Training ihrer beiden Sprösslinge. Die beiden Jungs waren dabei weniger Rivalen als Spielpartner und inspirierten sich gegenseitig zu Höchstleistungen. Später trennten sich ihre Wege: Während es Søren 1989 mit einem Sportstipendium nach Baylor, Texas, verschlug, hatte Thomas keine akademischen Ambitionen. Er konzentrierte sich darauf, sein Spiel bei den dänischen National-Teams zu verbessern. Mit Erfolg! In den Jahren 1990 und 1991 gewann er zweimal die Amateurmeisterschaften seines Heimatlands und spielte in den beiden folgenden Jahren die Qualifying School, um 1993 zu den Profis zu wechseln.
Der Stolz Dänemarks
Seine ersten Sporen als Berufsgolfer verdiente sich Bjørn ab 1993 auf der Challenge Tour. Unglaubliche vier Siege in der Saison 1995 verhalfen ihm schließlich zur begehrten Tourkarte für die 1. Liga. Gleich im folgenden Jahr, in seiner Premieren-Saison auf der European Tour, ging sein Stern beim Turnier in Loch Lomond in Schottland endgültig auf, als er mit einem Schlag vor dem Franzosen Jean van de Velde den Titel errang. Als erster Däne überhaupt konnte Bjørn einen Sieg auf der European Tour verzeichnen! Und eine weitere große Ehre folgte auf dem Fuße – der Spanier Severiano Ballesteros berief ihn in das Ryder Cup-Team der Europäer für die Auseinandersetzung mit Team USA in Valderrama 1997 – wieder als ersten Dänen in der Geschichte dieses Wettbewerbs. Beim knappen 14,5:13,5-Sieg der europäischen Auswahl steuerte der Rookie immerhin 1,5 Punkte bei.
Im Jahr darauf feierte Thomas Bjørn mit der Heineken Classic in Australien seinen nächsten Triumph und auch abseits des Platzes gab der mittlerweile 27-Jährige Vollgas. 1998 traf er während der Dubai Desert Classic – kurz nach der Trennung von seiner langjährigen Freundin – die schwedische Anwältin Pernilla Waldenstrom mit Wohnsitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die beiden verliebten sich Hals über Kopf, verlobten sich kaum einen Monat später und noch im selben Jahr wurde Hochzeit gefeiert. Zwischendrin entschied der glückliche Däne die Peugeot Open de España für sich, freute sich 1999 über den Gewinn der Sarazene World Open und erst recht über die Geburt von Tochter Filippa.
Es lief alles rund für den Mann aus Silkeborg, der im Jahr 2000 Bernhard Langer bei der BMW International Open in die Schranken wies und 2001 einen ganz besonderen Erfolg feiern durfte. Bei der Dubai Desert Classic gelang dem Dänen das Kunststück, gegen den Iren Pádraig Harrington und den damaligen Weltranglistenersten Tiger Woods zu gewinnen. Entsprechend stolz posierte der Familienvater, der an seinem Zweitwohnsitz auf der arabischen Halbinsel wie ein Einheimischer gefeiert wurde, mit Frau und Tochter vor der riesigen Trophäe. Die Erfolgsserie des Dänen hielt an. Den Titel der BMW International verteidigte er 2002 – erneut gegen Bernhard Langer – und im selben Jahr holte er mit seinen Teamkameraden den Ryder Cup wieder zurück nach Europa. Bjørn schien jetzt bereit für die ganz großen Aufgaben – sportlich und auch privat. Der Familie wurde 2003 gleich doppelter Nachwuchs beschert mit den Zwillingen Oliver und Julie.
Es hat nicht sollen sein
Bereits in den Anfangsjahren seiner Karriere verbuchte der Däne beachtliche Erfolge bei den Majors. Vier Top Ten-Ergebnisse zwischen 1998 und 2002 bewiesen sein großes Potenzial. Insbesondere bei der Open Championship schien Bjørn sich wohlzufühlen, wie sein zweiter Rang im Jahr 2000 zeigte. Gegen einen übermächtigen Tiger Woods, der seinerzeit mit acht Schlägen gewann, hatte damals der Rest des Felds allerdings nur eine theoretische Chance. Anders lief es 2003, als alles für den 32-Jährigen aus dem Königreich Dänemark sprach. Bjørn lieferte im Royal St George’s Golf Club eine wahre Demonstration seines Könnens. Schwach gestartet mit einer 73er-Runde, lag er am zweiten Tag bereits einen Schlag hinter der Spitze, die er an Tag 3 übernahm. Auch in der Finalrunde spielte sich Bjørn wie in einen Rausch und lag bei noch vier zu spielenden Bahnen drei Schläge vor. Doch dann geschah das Unfassbare: Zwei Bogeys, ein Doppel-Bogey und ein Par machten seinen Titel-Ambitionen den Garaus. Besonders tragisch war seine Vorstellung an der 16, als es ihm wiederholt nicht gelang, den Ball aus einem Bunker zu bugsieren. In der Gesamtrechnung wies Bjørn einen Schlag zu viel auf und musste die Siegertrophäe dem US-Amerikaner Ben Curtis bei dessen Open-Premiere überlassen. Ein Schock, von dem sich der Däne nur langsam erholte.
Pech in der Liebe …
Es dauerte bis zum Mai 2005 als Bjørn sich in Hertfordshire beim Daily Telegraph Dunlop Masters endlich wieder mit einem neuen Titel schmücken durfte. Im August desselben Jahres überraschte er dann bei der PGA Championship in Springfield in New Jersey. Durch eine 63er-Rekordrunde kam der Mann, der zwischenzeitlich mit seiner Familie ins englische Wentworth gezogen war, bis auf einen Schlag an die Spitze heran. Doch am allerletzten Loch der Finalrunde gelang Phil Mickelson das ent-scheidende Birdie zum Sieg und es blieb für Thomas Bjørn wie-der nur Platz 2, gemeinsam mit Steve Elkington aus Australien. 2006 behielt er bei den Irish Open das glückliche Ende für sich und feierte seinen nunmehr neunten Titel auf der European Tour. Danach folgte allerdings eine Durststrecke über vier lange Jahre, bis er sich eindrucksvoll zurückmeldete. Bei der Estoril Open de Portugal 2010 siegte der bekennende Fan des englischen Fußballclubs FC Liverpool mit unglaublichen 23 Schlägen unter Par, ganze fünf Schläge vor seinem Verfolger, dem Australier Richard Green. Sportlich lief alles bestens, doch privat sorgte er für nicht so begehrte Schlagzeilen. Mitten in dieses phänomenale Comeback platzte die Nachricht, dass Bjørn Vater eines unehelichen Kindes geworden sei. Die austra-lische Flugbegleiterin Dagmara Leniartek berichtete von einer fünf Jahre währenden Beziehung zum Golfstar, die dieser in dem Moment beendete, als er von der Schwangerschaft erfuhr. Bjørn bestritt die Vaterschaft, aber dänische Medien meldeten einen positiven DNA-Test. Auch ging die Ehe des 39-Jährigen mit Pernilla über diese Affäre in die Brüche.
… Glück im Spiel!
Als Tour-Professional lief es für ihn dagegen weiterhin bestens. 2011 fügte er seiner Karrierebilanz drei weitere Titel hinzu, unter anderem bei der Omega European Masters, wo er Martin Kaymer mit vier Schlägen auf Platz 2 verwies. Auch bei seinem offensichtlich liebsten Major, den British Open, spielte Bjørn erneut groß auf – die Startberechtigung hatte er allerdings nur durch die verletzungsbedingte Absage des Fidschianers Vijay Singh erhalten. Kurioserweise wurde diese 140. Auflage des Traditionsturniers turnusmäßig ausgerechnet am Ort seiner schmerzhaften Niederlage von 2003 abgehalten wurde – im Royal St George’s Golf Club. Thomas Bjørn schien denn auch der ganzen Welt beweisen zu wollen, dass er keinesfalls an einem „St George’s-Trauma“ litt, und setzte sich nach der ersten Runde mit einer sensationellen 65 an die Spitze des Felds. Aus-gerechnet an der Bahn, die ihn acht Jahre zuvor den Titel kostete, notierte er nun ein Birdie. In der anschließenden Pressekonferenz zeigte der Däne Emotionen, als er auf seinen kürzlich, nach langer Krankheit verstorbenen Vater Ole angesprochen wurde. „Mein Vater wäre sehr stolz auf das, was ich heute geleistet habe“, freute sich der Spitzenreiter unter Tränen. Doch zum Titel reichte es wieder nicht, wenngleich der geteilte 4. Rang erneut ein sehr gutes Major-Ergebnis darstellte.
Auf nach Paris
Wenn es auch mit einem Major-Sieg nicht klappte, seiner beeindruckenden Titelsammlung fügte Thomas Bjørn dennoch zwei weitere hinzu. Im Jahr 2013 entschied er sowohl die Omega European Masters als auch die Nedbank Golf Challenge für sich. Obendrein erreichte ihn noch einmal die Nominierung für den Ryder Cup!
Zweimal zuvor zählte er in der Funktion eines Vice-Captains zum siegreichen europäischen Team bevor er mit 43 Jahren, als bis dato ältester Spieler gemeinsam mit seinen Mannschafts -kollegen den dritten Titel in aktiver Funktion einfuhr. Bjørn ist Europäer mit Leib und Seele und er liebt den Ryder Cup – dieses Wahnsinns-Event, das alle zwei Jahre die Golfwelt in Atem hält. Nachdem der Nordire Darren Clarke im vergangenen Jahr mit seiner Auswahl die goldene Trophäe den US-Amerikanern überlassen musste, soll es im kommenden Jahr der Däne rich-ten. Clarke selbst sowie zwei weitere ehemalige Team-Chefs, Paul McGinley und José María Olazábal, dazu der Vorsitzende der European Tour Keith Pelley und Henrik Stenson als Mit-glied des European-Tour-Komitees wählten im Dezember 2016 Thomas Bjørn zum amtierenden Captain. Dieser zeigte sich hocherfreut und sichtlich stolz. „Ich habe viele Kapitäne wäh-rend meiner Teilnahmen als Spieler und Vize-Kapitän beobach-tet und habe mich jedes Mal gefragt, wie es sich wohl anfühlt, das Team der zwölf besten Spieler anzuführen und jetzt bin ich dran, das Team zu führen und es ist ein ganz besonderer Moment für mich.“
Nach seiner Ernennung hielt er sich nicht groß mit seiner Euphorie auf. Bjørn, der mit seiner neuen Lebensgefährtin Grace Barber mittlerweile im schwedischen Gothenburg wohnt, kündigte gleich eine Änderung im Modus an. Mit vier statt wie bisher drei Captain’s Picks will er sich größeren Handlungsspielraum schaffen, um die aktuell stärksten Spieler in Paris aufbieten zu können. Der große Däne, der als Hoffnungsträger einer riesigen Fangemeinde antritt, will den Ryder Cup unbedingt für Europa zurückgewinnen und er wird alles daransetzen, diesen Traum zu verwirklichen. Dass er das notwendige Rüstzeug für diese große, anspruchsvolle Aufgabe besitzt, ist angesichts seiner Karrierebilanz als Einzel- aber auch als Ryder Cup-Teamspieler keine Frage. Wenn ihm dann im kommenden Jahr auch noch das Glück hold wäre … Die Golffans Europas würden es ihm danken.