
Ariya und Moriya Jutanugarn (Foto: Donald Miralle/Getty Images)
Sister Act
Geschwister haben meist eine ganz besondere Beziehung, sind Begleiter auf Lebenszeit. Die Schwestern Moriya und Ariya Jutanugarn stehen sich jedoch auch als Kontrahentinnen gegenüber: Beide schlagen auf der LPGA Tour ab und wetteifern dort Woche für Woche um Titel. Doch die herzlichen Rivalinnen aus Thailand verbindet ein enges Band, welches sie nun mit einem historischen Coup weiter festigten.
- 22. Oktober 2018
- Posted in Sport
- 2
Gluckliches Ende nach einer miserablen Backnine und vier Play-off-Lochern. Ariya Jutanugarn verneigte sich nach ihrem Gewinnerputt fast ehrfurchtig vor ihrer Kontrahentin Hyo Joo Kim aus Sudkorea. Diese profitierte zunachst von Jutanugarns schwacher Schlussrunde (+1/73), machte deren Vorsprung schlieslich wett und forderte die ebenfalls 22-Jahrige in einem mitreisenden Finish bis zum letzten Schlag heraus. Doch Jutanugarn hielt dem Druck stand und feierte nach dem vierten Extraloch bei der U.S. Women’s Open Anfang Juni ihren zweiten Major-Triumph.
Eine der ersten Gratulanten war ihre Schwester Moriya, die uber das gesamte Stechen hinweg am Rand mitfieberte und die Daumen fur ihre Schwester druckte. Gemeinsam mit Caddie Les Luark ubergoss sie Ariya mit reichlich Wasser und nahm sie dann minutenlang in die Arme. Wieder einmal. Denn mit dem Erfolg in Shoal Creek in Alabama machte Ariya bereits ihren neunten Titel auf der US-amerikanischen Profiliga perfekt. „Ich fuhle mich so geehrt, in einer Reihe mit den vorherigen Gewinnerinnen genannt zu werden“, erklarte sie sichtlich bewegt. Schlieslich gehort die 1,70 Meter grose Athletin nun zum elitaren Kreis jener funf Proetten, die sowohl die Women’s British Open als auch das US-amerikanische Pendant gewannen. Vor ihr gluckte dies nur Annika Sorenstam aus Schweden, der US-Amerikanerin Kerrie Web sowie den beiden Sudkoreanerinnen Se Ri Pak und Inbee Park.
Familie als Karriereretter
Zudem trug sich Ariya erneut in die Geschichtsbucher ein – genau wie bei ihrem Major-Triumph, 2016 bei der Women’s British Open, gelang ihr dieses Kunststuck als erster Sportlerin ihres Landes. Auch bei ihrem Premieren-Titel auf der Profi- Tour war sie die erste Thailanderin. Dabei ist Ariya eigentlich die Zweite – zumindest aus Sicht von Vater Somboon und Mutter Narumon. Denn 1994 kam zunachst Moriya auf die Welt, 16 Monate spater Ariya. Wahrend sich diese Reihenfolge aus Golfsicht inzwischen deutlich verschob, spielt sie bei den beiden im Alltag uberhaupt keine Rolle. „Wir sind uns einfach wahnsinnig nah. Es ist das groste Gluck fur mich, sie mit auf der Tour zu haben“, erklarte Ariya in Interviews als ihre Schwester ein Jahr nach ihr, namlich 2013, auch den Sprung zu den Professionals meisterte. Genau zur rechten Zeit! Genau da brauchte die Jungere viel Zuspruch und Aufmunterung. Ariya kampfte mit einer schweren Schulterverletzung, deren Ursache allerdings nicht im Golfen lag.
Auf einer Trainingsrunde der Wegman LPGA Champions (heutige Women’s PGA Championship) rannte sie Moriya spaseshalber hinterher und sturzte unglucklich einen Hang hinab. „Als ich nach der Operation Angst hatte, meinen Traum vom Profi-Golf begraben zu mussen, unterstutzten Moriya und meine Eltern mich noch mehr. Nur dadurch habe ich den Glauben nicht verloren.“ Auch Moriya hebt die besondere Beziehung zwischen ihnen immer wieder hervor. „Ich wurde sagen, wir sind mehr als nur Schwestern. Sie kennt mich einfach am besten und es ist toll, sie immer bei mir zu haben.“ Entsprechend hegen die Jutanugarn-Sisters eher eine freundliche Rivalitat miteinander und trainieren in ihrer Wahlheimat Orlando, Florida stets zusammen. Zwar lieferten sich die beiden bislang noch kein Kopf-an-Kopf-Rennen um einen Titel, sollte es jedoch einmal dazu kommen, haben sie vereinbart, dass lediglich die Auswahl des Abendessens der Siegerin obliegen soll. Ansonsten wurde sich fur die Schwestern eigenen Aussagen zufolge uberhaupt nichts andern.
Für die Geschichtsbücher
2018 ist nun das erste Jahr, in dem beide erfolgreich sind: Die Titeljagd eroffnete vor dem U.S. Women’s Open-Coup bereits Moriya. Bei der HUGEL-JTBC LA Open feierte sie im April ihren ersten Profi-Erfolg. Nach 156 LPGA-Starts blieb sie uber vier Runden jeweils deutlich unter Par und sicherte sich mit zwei Schlagen Vorsprung erstmals den Platz ganz oben auf dem Treppchen. Die Jutanugarns sind damit nach den Schwedinnen Annika und Charlotta Sorenstam erst das zweite Geschwisterpaar in der 68-jahrigen Geschichte der LPGA Tour, bei dem beide Proetten mindestens einen Sieg ein – fuhren. „Ich habe einfach weiter an mich geglaubt, immer gekampft und nun ist es endlich passiert“, erklarte Moriya nach dem Turnier, das in der Nahe des weltbekannten „Hollywood“-Schriftzuges in Los Angeles stattfand.
Die Kulisse fur diesen historischen Moment war also perfekt und der Plot auch, als Ariya voller Freude aufs Grun rannte und tranenuberstromt ihrer Schwester um den Hals fiel. „Sie hat noch mehr geweint als ich“, scherzte Moriya damals. „Dass wir so etwas Besonderes erreicht haben, verdanken wir auch unseren Eltern“, betonte einen Monat spater dann Ariya, die trotz widriger Wetterbedingungen die Kingsmill Championship im Play-off fur sich entschied und die Erfolgsserie damit fortsetzte. Wahrend die Mutter ihren Tochtern wahrend der Saison nicht von der Seite weicht, jede Reise mit absolviert und die Termine ihrer Kinder koordiniert, kummert sich Familienoberhaupt Somboon Jutanugarn um die geschaftlichen und finanziellen Angelegenheiten. Das Interesse der Tochter am Golfsport geht ubrigens auf den Vater zuruck, besitzt er doch in einem Golfclub auf dem Rose Garden Course nahe Bangkok einen Shop und nahm die Kinder von klein an mit auf den Kurs.
Neue Ziele gesteckt
Als sie im Alter von fünf beziehungsweise sieben Jahren mit dem Golfsport begannen, hegten sie den Traum, einmal zu den Besten der Welt zu gehören. Bereits bei den Juniorinnen galten sie als große Talente und auch bei den Amateurinnen arbeiteten sie akribisch, sodass sich dieser Wunsch nun erfüllt: Sie sind ganz oben angekommen! Mit Platz 2 und 9 der Weltrangliste zählen sie zu den absoluten Top-Proetten. Das Race to the CME Globe, die Geldrangliste der Damen, führen die beiden Schwestern mit insgesamt drei Saisonsiegen und 16 weiteren Top-Ten-Platzierungen sogar vor der Weltranglistenersten Inbee Park an – besser könnte es für die beiden also kaum laufen. Zudem eröffnet sich für Ariya die Möglichkeit, ihr Rekordjahr 2016 zu wiederholen.
Damals gewann die Frau aus Bangkok ebenfalls ein Major, holte gleich fünf ihrer nun neun LPGA-Titel, wurde von der LPGA und der GWAA zur Spielerin des Jahres gekürt, erhielt zahlreiche weitere Auszeichnungen und erspielte sich das höchste Preisgeld aller Professionals. Sie erklomm außerdem den Thron der Weltrangliste – und genau danach strebt sie nun wieder. „Ich will wieder die Nummer 1 sein. Ich möchte die ganzen Kinder in Thailand inspirieren“, betonte Ariya nach ihrem Sieg bei der U.S. Women’s Open und Moriya fügte an: „Wir wollen Teil des wachsenden Golfsports in unserem Heimatland werden und ich denke, gut zu spielen und gut zu handeln, wird uns dabei helfen“. Was für eine tolle Einstellung dieses erfolgreichen Sister Acts!