
Phil Mickelson (Foto: Stacy Revere/Getty Images)
Mickelson reloaded
Den Status einer Golf-Legende trägt Phil Mickelson bereits seit Jahren – doch nun fügte der US-Amerikaner seiner Karriere ein weiteres phänomenales Highlight hinzu. Mit 50 Jahren kürte sich der Publikumsliebling durch seinen Triumph bei der PGA Championship zum ältesten Major-Champion aller Zeiten! Eine Erfolgsgeschichte, die seinesgleichen sucht und auf der Entscheidung fußt, trotz einer Bilderbuchkarriere noch einmal alles umzukrempeln.
- 3. Juli 2021
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Sein letzter Titel bei einem der Big Four im Herrengolf lag bereits acht Jahre zurück. 2013 gewann er The Open Championship und feierte seinen fünften Major-Coup. Doch danach folgte eine lange Durststrecke: Über sieben Spielzeiten hinweg rangierte Phil Mickelson bei den vier großen Events nur dreimal in den Top Ten. Neben den Majors lief es bei „Lefty“, wie er aufgrund seiner linkshändigen Schlägerhaltung genannt wird, ebenfalls wenig erfolgreich – zwischen 2014 und 2017 blieb er ohne Turniersieg. Mickelson entfernte sich immer weiter von der Weltelite; im Vorfeld der PGA Championship rangierte er lediglich auf Platz 168 der Golf-Weltrangliste, die er kurz nach der Jahrtausendwende gemeinsam mit seinem Landsmann Tiger Woods noch in beeindruckender Manier anführte.
Komplette Kehrtwende
Aufgrund der anhaltenden Formsuche entschloss sich der 45-fache PGA-Tour-Gewinner zu radikalen Veränderungen. 2017 trennte er sich nach 25 gemeinsamen Jahren von seinem Caddy Jim Mackay und holte den einzigen Mann, der ihm noch näherstand, an die Tasche – seinen Bruder Tim. Der agierte zuvor als Collegetrainer und Agent des spanischen Topgolfers Jon Rahm, räumte der Familie aber einen ebenso großen Stellenwert ein und entschied sich fortan, die Pflichten des Caddies zu übernehmen. Neben dem Wechsel des Trainers ein feiner Schachzug, denn mit seinem Seelenverwandten an der Seite kehrte der Erfolg zurück. Den ersten gemeinsamen Triumph feierten die Geschwister bei der WGC-Mexico Championship 2018, gefolgt von einem Sieg beim Pebble Beach Pro-Am 2019. Doch damit nicht genug! Phil Mickelson stellte auch seine Lebensgewohnheiten um.
Mit einer speziellen Diät nahm er Mitte 2019 knapp 15 Kilo ab, legte einen weiteren Trainingsschwerpunkt auf seine Fitness und kehrte zum Saisonauftakt 2019/2020 sichtlich gestählt in seine 29. Saison auf der PGA Tour zurück. Während er körperlich fitter als je zuvor wirkte, offenbarten sich allerdings mentale Probleme. Der dreifache Ryder-Cup-Champion beklagte vermehrt Konzentrationsschwächen, die ihn eigenen Aussagen zufolge um bessere Resultate brachten. Für Mickelson jedoch kein Grund aufzustecken! Mit Meditationstraining und Ausdauereinheiten, bei denen er teilweise mehr als 40 Löcher am Tag spielte, arbeitete er an seiner Konzentrationsfähigkeit und kämpfte sich zurück in den Kreis der Gewinner. 2020 triumphierte er gleich doppelt auf der PGA Tour Champions, der Tour der Über-50-Jährigen. Was für eine unglaubliche Energieleistung und was für ein Enthusiasmus von Mickelson, der zur Hall of Fame des Golfsports gehört und eigentlich niemandem mehr etwas beweisen müsste.
Momente für die Ewigkeit
Doch Mickelson wäre nicht der von Kollegen und Fans gleichermaßen hoch angesehene Profisportler, wenn er nicht über Jahrzehnte hinweg, immer wieder akribisch an seiner Performance gearbeitet hätte, um seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden und wettbewerbsfähig zu bleiben. Am Ende der PGA Championship 2021 stellte er genau dieses Credo wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis. Obwohl vor dem zweiten Major des Jahres kaum jemand auf den Altstar setzte und die Buchmacher-Quote mit 200:1 für seinen Titelgewinn deutlich gegen ihn sprach, schrieb Mickelson eine der schönsten Geschichten des Golfsports.
Nachdem er vor dem Großereignis eineinhalb Tage fastete, wie er es inzwischen in jeder Turnierwoche macht, um seinen Körper zu resetten, schöpfte er auf Kiawah Island aus dem Vollen. Mit seinen unnachahmlichen wilden und weiten Abschlägen und dem grandiosen kurzen Spiel kehrte Mickelson nach 54 Löchern mit drei Runden unter Par zurück ins Clubhaus (–7/209). Deutlich jüngere Konkurrenten, wie etwa die Top 3 der Weltrangliste – Dustin Johnson, Justin Thomas und Jon Rahm – mussten zu diesem Zeitpunkt bereits die Segel streichen, weil sie entweder den Cut verpassten oder mit dem überaus schwierig zu spielenden Platz haderten. Chancen auf den Sieg konnte sich dagegen noch Brooks Koepka ausrechnen, der lediglich einen Schlag hinter „Lefty“ auf die letzten 18 Bahnen ging – und die hatten es in sich.
Denn im Finale furioso offenbarten beide Profigolfer einige Schwächen, kämpften gegen die wechselnden Winde an und lieferten sich ein Duell auf Augenhöhe. Während Mickelson die Frontnine mit einem Bogey eröffnete, lochte Koepka zum Birdie und riss die Führung an sich. Die Initialzündung für seinen sechsten Major-Erfolg legte dann aber der Routinier: mit einem unglaublichen Chip-in an der 5. Nachdem sein Abschlag im Sandbunker landete, beförderte er die kleine weiße Kugel mit einem Schlag für die Ewigkeit direkt ins Loch – und setzte sich – auch dank des Doppelbogeys des 20 Jahre jüngeren Konkurrenten – erstmals mit zwei Schlägen ab. Danach demonstrierte Phil Mickelson Nervenstärke par excellence und behielt auf dem Ocean Course die Oberhand.
Seite an Seite
Ein weiterer Gänsehaut-Moment ereignete sich auf dem 18. Loch. Der Kalifornier schritt vor den 10.000 zugelassenen Fans am Par 4 entlang in Richtung Grün. Die Masse grölte und jubelte ihrem Helden zu, skandierte seinen Namen und sorgte für eine atemberaubende Atmosphäre. Einige der Enthusiasten sogar im wahrsten Sinne des Wortes, weil sie dem Führenden beinahe um den Hals fielen und die Marshalls ihre Mühe und Not hatten, die Leute zu bändigen. Als Mickelson dann aber zum letzten Schlag ansetzte, herrschte plötzlich gespenstische Ruhe! Doch kaum war der Putt zum Par gefallen, kannte der Jubel keine Grenzen mehr. Doch während das Publikum frenetisch feierte, reckte der Überraschungssieger nur kurz die Arme gen Himmel und lief dann direkt zu seinem Bruder Tim. Herzlich umarmte sich das Duo, war den Tränen nahe. Im Zeitraffer rauschte der lange Weg voller Entbehrungen, neuer Trainingsmodalitäten und Herausforderungen an den beiden Geschwistern vorbei. Nicht immer verlief alles nach Plan, oftmals schrieben Experten sie ab, aber sie vertrauten auf ihre Stärke und glaubten immer aneinander, betonten sie nach dem Turnier. Der sechste Major-Titel von Phil Mickelson war damit besiegelt – 17 Jahre nach seinem ersten Erfolg bei einem der Big Four, dem Masters 2004.
„Jeder Sieg ist etwas Besonderes, aber ein Major in dieser Phase der Karriere zu gewinnen, hat mir definitiv zum ersten Mal Tränen in die Augen getrieben, seit ich vor viereinhalb Jahren als Caddy für Phil angefangen habe“, offenbarte Tim. Die Hauptfigur in dem hollywoodreifen Plot war ebenfalls überwältigt. „Das ist ein unbeschreibliches Gefühl. Ich habe geglaubt, dass es möglich ist, obwohl eigentlich alles dagegensprach. Ich hoffe, das ist für andere eine Inspiration. Man muss an seinen Fähigkeiten arbeiten, aber bei Gott – das ist es wert“, erklärte Mickelson freudestrahlend mit der Wanamaker Trophy in den Armen.
Der historische Erfolg war keineswegs Zufall, sondern das Ergebnis harter Arbeit. Es erfordert ein hohes Maß an Resilienz, um allen Widrigkeiten zum Trotz, Krisen immer wieder als Ansporn für Entwicklungen zu nutzen. Kein Wunder, dass Phil Mickelson mit nun 51 Jahren und nach diesem Triumph wieder als Titelaspirant für die kommenden Majors und sogar als Ryder-Cup-Spieler gehandelt wird!