
Tony Finau (Foto: Michael Reaves/Getty Images)
Ein Mann und sein Traum
Als Sohn einer Einwandererfamilie aus Tonga im Südpazifik tat sich Tony Finau im Hinblick auf eine Golfkarriere wahrlich schwer. Dank des aufopferungsvollen Einsatzes seines Vaters glückte dem imposanten Athleten dennoch der Sprung ins Profibusiness. Dort ist der 29-jährige US-Amerikaner keineswegs nur einer unter vielen. Seit zwei Jahren zählt er zur absoluten Weltspitze und bestätigt damit einmal mehr die Idee des amerikanischen Traums.
- 9. Juli 2019
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Beim diesjährigen Masters Tournament schloss sich für Milton Pouha Finau, besser bekannt als Tony Finau, der Kreis – 22 Jahre nach seinem ersten Kontakt mit dem Golfsport. Mit sieben Jahren verfolgte der US-Amerikaner nämlich vor dem Fernseher, wie sich sein Landsmann Tiger Woods das Green Jackett überstreifte und 1997 seinen ersten Major-Titel feierte. „Als ich gesehen habe, was Tiger geschafft hat, dachte ich mir, wenn es ein Farbiger soweit bringt, kann ich das auch“, erinnerte sich der 1,93-Meter-Hüne rückblickend. Mehr als zwei Dekaden später kämpfte er auf der Schlussrunde an der Magnolia Lane ausgerechnet mit seinem Vorbild im entscheidenden Flight um die Masters- Trophäe. Am Ende heimste Tiger Woods mit einem phänomenalen Comeback die Lorbeeren ein und Finau belegte den geteilten fünften Platz beim wohl berühmtesten Golfturnier der Welt. Bevor dessen Weg bis in die höchsten Sphären seiner Sportart führte, galt es allerdings etliche mächtige Steine beiseite zu räumen.
Not macht erfinderisch
Als Sohn einer Einwandererfamilie aus Tonga, ein polynesisches Königreich im Südpazifik, wuchs Finau gemeinsam mit zwei Schwestern und vier Brüdern in Rose Park, einem ärmlichen Vorort von Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah, auf. Während die Kinder in dieser Gegend vorrangig Football spielten, interessierten sich Tony und sein jüngerer Bruder Gipper für Golf. Dass es in Rose Park nur einen Par-3-Platz gab, war dabei noch das kleinste Problem. Vater Kelepi arbeitete als Gepäckarbeiter bei einer Fluggesellschaft, verdiente im Jahr 35.000 US-Dollar und musste damit die neunköpfige Familie ernähren. Kein leichtes Unterfangen, denn er wollte seinen Söhnen das teure Hobby trotzdem ermöglichen. Eine zündende Idee musste her – und Kelepi improvisierte. Er erwarb bei der Heilsarmee für 2,25 US-Dollar ein Eisen 6 sowie einen Putter. Zudem lieh er sich in der Stadtbibliothek Golflektüre aus, darunter das Buch „Golf My Way“ von Jack Nicklaus. Mit dem erworbenen Wissen unterrichtete er seine Söhne autodidaktisch. Weil sich die Familie jedoch auch die Greenfees nicht leisten konnte, sammelte der engagierte Vater auf dem heimischen Platz liegengebliebene Bälle und baute in der Garage einen Trainingsraum. Mit Matratzen und Netzen errichtete er eine Schwunganlage, ersteigerte eine billige Video-Kamera und verglich die aufgenommenen Drives mit Bewegungen, die er im Fernsehen und in Golfmagazinen sah. An Kreativität und Begeisterungsfähigkeit war dieser Mann wohl kaum zu überbieten!
Alles auf eine Karte
Für seinen Einsatz wurde Kelepi wenig später belohnt. Sein Sohn Tony gewann die ersten lokalen Turniere, erhielt die Erlaubnis, kostenlos auf dem heimischen Par-3-Platz zu spielen. 2002 durfte er dann seinen ersten großen Coup feiern. „Mit zwölf Jahren gewann ich in San Diego das Junior-World- Turnier und ich sah meinen Namen neben denen von Tiger Woods, Phil Mickelson und Ernie Els auf der Siegerliste. Da wusste ich, dass ich es in diesem Sport zu etwas bringen kann. So gut ich beim Basketball auch war, nur beim Golf war ich wirklich mit dem Herzen dabei.“ Vier Jahre später trium – phierte der ehrgeizige Teenager bei der Utah State Amateur Championship und wechselte trotz eines Angebotes auf ein College-Stipendium im Basketball zu den Professionals. Auf den Mini-Touren wie der Gateway Tour, der NGA Hooters und der National Pro Tour tingelte er mit seiner Mutter Ravena von Turnier zu Turnier, übernachtete gemeinsam mit ihr im Auto und versuchte sich bei den Vollzeit-Golfern zu etablieren. Doch der Erfolg ließ auf sich warten und das Familieneinkommen schrumpfte zusehends. Erneut machten die Finaus aus der Not eine Tugend. Tony nahm an zwei TVGolf- Events teil und schob mit dem Gewinnerscheck seine Profikarriere an. Zudem zog er nach Las Vegas, frischte mit Glücksspielen sein Konto auf und verdiente sich in zahlreichen Shows mit einem traditionellen, polynesischen Messer-Feuer-Tanz Geld hinzu. Eine aus finanzieller Sicht gute, wenngleich schmerzhafte Entscheidung, von der noch heute zahlreiche Narben auf seinen Armen zeugen.
Was lange währt, wird gut
Bis zu seinem Durchbruch vergingen jedoch weitere Jahre voller Hürden. 2011 verstarb seine Mutter mit nur 47 Jahren bei einem Verkehrsunfall, bei dem eine seiner Schwestern am Steuer saß. Das Leben der Familie drohte aus den Fugen zu geraten, doch der Golfsport fungierte wieder als Anker. Zwei Jahre später glückte Tony Finau die Qualifikation für die Web.com Tour, auf der er im verflixten siebten Jahr seiner Profikarriere bei der Stonebrae Classic 2014 endlich sein erstes Turnier gewann. Was für ein Befreiungsschlag! Mit dem Titel ging nämlich auch die Spielberechtigung für die PGA Tour einher, auf der er seit 2015 ununterbrochen abschlägt. Danach ging es für den stets bescheiden und freundlich auftretenden Athleten stetig bergauf. Zwar feierte er bislang nur einen Sieg auf der US-amerikanischen Profitour – 2016 bei der Puerto Rico Open – dank seiner guten Ergebnisse nahm er in den ersten drei Spielzeiten auf der Tour aber um die zwei Millionen US-Dollar an Preisgeld pro Jahr ein. Was für ein Quantensprung: Von den einstigen Existenzsorgen seiner Kindheit war Finau dank seines unbändigen Trainingseifers und Durchhaltevermögens nun weit entfernt.
Ehre, wem Ehre gebührt
Der nächste Meilenstein folgte 2018. Erstmals schloss Finau die Saison unter den Top Ten der Weltrangliste ab. Er, der junge Mann ohne Perspektive auf eine Golfkarriere, gehörte nun zu den besten Profis überhaupt. Die elf Resultate unter den besten Zehn, darunter drei zweite Plätze, bedeuteten am Ende des Jahres mehr als fünf Millionen US-Dollar an Preisgeld. Weil der Longhitter zudem bei drei von vier Major- Events glänzte, erhielt er von US-Kapitän Jim Furyk die letzte Wildcard für den Ryder Cup 2018. Eine Auszeichnung, für die Finau kaum Worte fand. Stattdessen gab er via Instagram einen polynesischen Freudentanz zum Besten. „Tony versinnbildlicht den amerikanischen Traum“, betonte Vater Kelepi voller Stolz, als sein Sohn den ersten Tee-Shot im französischen Le Golf National markierte. Bei seiner ersten Teilnahme, zuvor schlug er zweimal bei der Junior-Ausgabe des Interkontinentalwettbewerbs ab, holte er immerhin zwei Punkte, wenngleich er die deutliche Niederlage gegen das europäische Team nicht verhindern konnte.
Noch lange nicht am Ziel
Viele Wünsche des bekennenden Mormonen sind inzwischen in Erfüllung gegangen. Nichtsdestotrotz gab Finau bekannt, dass er noch lange nicht am Ende seiner Träume angelangt sei. „Ich will Major-Turniere gewinnen und der beste Spieler der Welt werden – und diese Ziele scheinen in Reichweite zu sein“, prognostizierte er in einem Interview. Die Kraft zu deren Realisierung und die Energie, aus Rückschlägen stärker hervorzugehen, schöpfe er aus seinem Glauben und dem Rückhalt seiner Familie. Gemeinsam mit Ehefrau Alayna und den vier Kindern Jraice, Leilene Aiga, Tony Junior und Sage kehrte er zu seinen Wurzeln zurück. Von Lehi aus, einer Stadt unweit seiner Heimat Rose Park, engagiert er sich neben dem Golf in seiner eigenen Foundation für benachteiligte Kinder und richtet jährlich an Thanksgiving ein Dinner für rund 1.000 Menschen aus der Gemeinde aus. „Wir wachsen alle unter verschiedenen Umständen auf, werden auf unterschiedlichste Weise erzogen. Aber nichts sollte uns davon abhalten, an unsere Träume zu glauben, das zu tun, was wir fühlen.“ Auf kaum einen anderen treffen diese Worte so gut zu – und kein anderer hat ihnen wohl so eindrucksvoll Leben eingehaucht wie Tony Finau. Bleibt abzuwarten, ob er seine hochgesteckten Pläne realisieren kann. Aber warum nicht? Sein ganzes Leben ist bislang schließlich ein wahrgewordener Traum.