Ein Kämpfer vor dem Herrn
Webb Simpson schlägt seit zehn Jahren auf der PGA Tour ab, feierte fünf Titel – darunter mit der U.S. Open 2012 einen Major-Sieg. Nach einer jahrelangen Durststrecke mit beruflichen und privaten Rückschlägen kämpfte sich der US-Amerikaner zurück ins ‧Rampenlicht und gehört nach sieben Jahren ‧Abstinenz jetzt wieder zu den Top 15 der Welt.
- 21. Oktober 2019
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Das Licht der Welt erblickte James Frederick Webb Simpson 1985 in Raleigh im US-Bundesstaat North Carolina – als fünftes von insgesamt sechs Kinder seiner Eltern Evander Samuel „Sam“ und Debbie. Heute, 34 Jahre später, ist Simpson selbst Vater von fünf Kindern. James, Willow, Wyndham, Mercy und Eden Bee sind der ganze Stolz des gläubigen Christen und spiegeln zudem sein außergewöhnliches Verhältnis zu seinem Vater wider. Bereits in frühen Kindheitstagen nahm Sam seinen Sohn mit zum Carolina Country Club in ihrer Heimatstadt und weckte bei ihm das Interesse am Spiel mit der kleinen weißen Kugel. Weil Webb bei den regelmäßigen Besuchen auf der Driving Range frühzeitig ungeahnte Talente offenbarte, bat Sam den Direktor des Clubs, sich den Schwung des damals Achtjährigen einmal genauer anzusehen. Fortan trainierte der Junge mehrmals wöchentlich und schlug auch bald bei seinen ersten Turnieren ab – mit Erfolg, wie die kommenden Jahre zeigten.
Talent und Fleiß
Als Amateur teete Webb Simpson für die Needham B. Broughton High School auf und bejubelte drei Mal den Titel des All-American, als bester Amateur des Landes. Danach studierte der Mann aus dem Südosten der Vereinigten Staaten an der Wake Forest University im Fach Religion und baute sein Golf-Knowhow dank eines Arnold Palmer Stipendiums weiter aus. Zudem triumphierte der damals 22-Jährige auch in Teamwettbewerben – 2007 gewann er den Walker Cup und den Palmer Cup – und entschied sich deshalb zum Wechsel ins Profilager. Zunächst spielte er auf Einladungsbasis auf der PGA Tour sowie auf der zweitklassigen Nationwide Tour, ehe er sich 2009 die volle Startberechtigung für die erste Liga sicherte. In seinem Rookie-Jahr glänzte er mit mehreren Top-Ten-Platzierungen und nahm direkt am Saisonhöhepunkt, der FedEx Cup-Finalserie teil. Was für ein Auftakt! Vater Sam, der als Hobby-Golfer selten Runden unterhalb der 75 notierte, erklärte damals mit breitem Grinsen: „Er hat kein Talent geerbt“.
Die ersten Big Points
Es dauerte zwei Jahre bis Simpsons Engagement erste Früchte trug. Im August 2011 gewann er sein erstes Profi-Turnier, die Wyndham Championship, und verdeutlichte, dass in seinem Fall Glaube Berge versetzte. „Ich wäre dumm, meinem Herrn und Retter, Jesus Christus, nicht zu danken“, twitterte er nach seinem Premierensieg. „Es war ein unglaublich harter Wettstreit, ich war sehr nervös. Aber ich habe den ganzen Tag seine Anwesenheit gespürt“, beschrieb er den göttlichen Beistand. Seitdem wählt der Religionswissenschaftler für jedes Turnier einen Bibelvers aus, der ihm dabei hilft, den Fokus zu halten. Nur zwei Wochen später reckte Simpson die nächste Trophäe in die Höhe. Bei der Deutsche Bank Championship setzte er sich im Play-off gegen seinen Landsmann Chez Reavie durch. Mit mehr als sechs Millionen US-Dollar an Preisgeld beendete er seine zweite Spielzeit auf der PGA Tour in den Top-Ten der Weltrangliste.
Kuriose Kuppelei
Neun Monate später fügte er seiner Bilanz ein weiteres Highlight hinzu. Er triumphierte bei der U.S. Open, dem zweitältesten Major im Herrengolf. Als neue Nummer 5 der Welt fiel er an der 18 im Olympic Club in San Francisco seiner Frau Taylor Dowd in die Arme. „Ich könnte gerade nicht glücklicher sein“, fasste Simpson seinen Gemütszustand zusammen. Einerseits erfüllte er sich mit dem Major-Sieg einen Traum, andererseits teilte seine hochschwangere Ehepartnerin diesen besonderen Moment mit ihm. Beides hätte es ohne seinen Vater wohl nie gegeben. Denn Simpson verdankt seinem Vorbild nicht nur seine Karriere als Golfprofi, sondern auch sein privates Glück. Während Webb und Taylor gemeinsam an der Wake Forest University ihre Abschlüsse machten – er in Religion, sie in Theaterschauspiel – bot Sam der attraktiven jungen Frau 100 US-Dollar, damit sie sich mit seinem Sohn verabredete. Eine kuriose Aktion, die ihre Wirkung jedoch nicht verfehlte. Denn es funkte und 2010 heirateten die beiden ehemaligen Kommilitonen. „Es ist süß und etwas Besonderes, dass mein Vater sozusagen meine Frau ausgesucht hat“, befand Webb Simpson einst.
Abrupter Stopp
Doch es sollte nicht immer so glänzend weitergehen: Nach seiner ersten Teilnahme am Ryder Cup 2012 fügte Simpson im Oktober 2013 seiner Vita zunächst seinen vierten PGA Tour-Titel hinzu. Danach stellte eine Regeländerung seine Karriere aber völlig auf den Kopf. USGA und R&A beschlossen, den Belly Putter – jenen Schläger, mit dem Simpson jahrelang souverän einlochte und dessen „Verbindung“ zwischen Schaft und Bauch ihm Sicherheit gab – auf professionellen Touren zu verbieten. Anstatt die Entscheidung zu akzeptieren, wehrte sich der Familienvater vehement, seinen Stil zu verändern – auf Kosten guter Resultate. Erst blieben Siege aus, danach folgten reihenweise verpasste Cuts. Simpson sackte in der Weltrangliste immer weiter ab und fand keine Berücksichtigung bei Team-Wettbewerben mehr. 2016 – nach seiner bislang schlechtesten Saison – folgte die Wende! „Am Ende war es nur noch frustrierend“, gestand er reumütig ein. Nach dieser Erkenntnis sprach er mit Experten und ließ sich von PGA-Kollege Tim Clark den „Claw“-Griff beibringen, bei dem eine Hand den Putt ausführt, die andere hingegen ruhig auf dem Schläger liegt und für Stabilität sorgt. Viereinhalb Jahre nach seinem letzten Coup war es dann endlich wieder soweit: Simpson gewann The Players Championship 2018, puttete besser als je zuvor und war endlich wieder obenauf.
Kraft aus Rückschlägen
„Jeder Spieler auf der Tour will ein Top-Spieler sein. Ich natürlich auch, aber ich will diesen Prozess ebenso genießen“, betonte Simpson nach seiner langen Durststrecke und zog damit den Kreis zu seinen Anfängen. 1993, als er gemeinsam mit seinem Vater Golfen für sich entdeckte, riet dieser ihm nämlich, den Spaß an der Sache nie aus den Augen zu verlieren. „Eine Sache hat er mir immer wieder mit auf den Weg gegeben. Egal, wie es dir geht, bring die Sache gut zu Ende, kämpfe für deine Ziele und hab Freude dabei. Verfolge deinen Weg beharrlich weiter“, zitierte Webb seinen Vater. Nach dessen Tod in Folge einer Demenz-Erkrankung Ende 2017 stürzte sich Webb deshalb noch intensiver ins Training, obwohl der Verlust seiner wichtigsten Bezugsperson ein großes Loch in der Familie hinterließ. „Es war ein harter Kampf zurück hierher. Aber ich glaube, das hätte ihn heute mit Stolz erfüllt“, betonte Webb nach seiner Wiederauferstehung mit Tränen im Gesicht. Seit diesem Befreiungsschlag etabliert sich der sehr gute Eisen-Spieler wieder auf Weltklasse-Niveau.
Allein 2019 verpasste er bei 21 gespielten Events nur ein einziges Mal den Cut, platzierte sich dabei nie außerhalb der besten 40, landete sechs Mal in den Top-Ten und erspielte knapp 4,7 Millionen US-Dollar an Preisgeld. Webb Simpson ist trotz vieler Widrigkeiten wieder angekommen in der internationalen Elite der Golfer und rangiert als Nummer 13 erstmals seit sieben Jahren wieder in den Top 15 der Welt. Was für eine Kämpfernatur!