
Ian Poulter (Foto: Josh Hedges/Getty Images)
Ian Poulter (Foto: Josh Hedges/Getty Images)
Eine Woche vor dem Event in Houston stand die WGCDell Technologies Match Play auf dem Terminplan, wo sich der Engländer mehr als achtbar schlug. Der 42-Jährige gewann alle drei Gruppenmatches souverän – die jeweiligen Gegner waren sein Landsmann Tommy Fleetwood sowie Kevin Chappell und Daniel Berger (beide USA) – und qualifizierte sich für die Runde der letzten 16. Mit 2&1 behielt Poulter gegen Louis Oosthuizen aus Südafrika auch hier die Nase vorn und stand nun im Viertelfinale des lukrativen WGC-Events – nicht nur monetär betrachtet, sondern auch in Sachen Weltranglistenpunkte. Das war der Moment, in dem das Verhängnis seinen Lauf nahm. Medienvertreter informierten Poulter im Anschluss an sein Match gegen Oosthuizen, er habe mit seinem Einzug in die Runde der besten Acht so viele Punkte gut gemacht, dass er in die Top 50 der Weltrangliste aufsteige und damit automatisch eine Einladung zum Masters erhielte! Der Engländer war begeistert.
Im Jahr zuvor glaubte er seinen PGA Tour Status schon verloren, als er Mitte April bei der Valero Texas Open am Cut scheiterte. Er spielte seinerzeit bereits mit einer Ausnahmegenehmigung nach seiner vier Monate langen Pause infolge einer Fußverletzung. Die Sache ging jedoch noch einmal glimpflich aus, bei dem komplizierten Berechnungsverfahren übersah man nämlich, dass sich das FedEx Cup-Punktesystem zwischenzeitlich geändert hatte. Poulter erhob deshalb Einspruch und bekam recht. Zunächst durfte er also bis zum Saisonende weiter bei PGA Tour Events abschlagen. Endgültig gesichert war seine Tour Card erst nach seinem formidablen T2 Finish bei The Players Championship. So und nun also die heiß begehrte Einladung zum Masters.
Doch es kam anders. Nur zehn Minuten vor seinem Viertel – final-Match gegen Kevin Kisner erklärte man ihm – vertan, vertan, es gab einen Rechenfehler, die Top 50 seien erst bei einem Einzug ins Halbfinale möglich! Dieses Hin und Her hinterließ bei Poulter, der als ziemlich nervenstark gilt, doch Spuren – er unterlag Kisner heftigst mit 8&6! Eine derart herbe Enttäuschung muss man erst einmal verdauen, dabei können am besten die Familie und die gewohnte Umgebung helfen. Er fuhr also heim nach Orlando, Florida und wägte seine Optionen ab: ein Start in Houston oder eine Woche Auszeit. „Ich brauche immer wieder eine Pause. Du spielst so viel Golf in kurzer Zeit bei einem Match Play und das unter höchstem Druck, das ist sehr zehrend!“ Wer auch immer ihm schließlich einflüsterte, das Ticket für Houston zu lösen, man weiß es nicht. Der Frust über die Ereignisse der Vortage ließ ihn aber offensichtlich noch nicht los: Ian Poulter startete mit der schon erwähnten 73 und landete auf T123. „Ich hatte noch einen ganz schönen Hals und in meinem Kopf schwirrten ein paar Leute rum, was nie gut ist!“ Damit bestätigte der Eng – länder, dass ihn der vermeintliche Rechenfehler während der Eröffnungsrunde immer noch quälte. Er war deshalb fest davon überzeugt, nach Runde 2 vorzeitig den Koffer packen zu müssen. „Ich wollte meine Chance auf das Masters erzwingen, was nicht funktionierte. Also habe ich Donnerstagnacht versucht, den Kopf freizukriegen und noch mal von vorn zu beginnen“, erklärte er später gegenüber der Presse, seine förmliche Leistungsexplosion an den Folgetagen. −8/64 in Runde 2, −7/65 an Tag 3 und Ian Poulter lag plötzlich in geteilter Führung! Wow, was für ein Comeback.
Manchmal hören Märchen genau in so einem Augenblick auf, doch für Poulter führte das nächste Kapitel zu einem echten Happy End. Lange Zeit sah es so aus, als könne der 42-Jährige den Sieg locker ins Clubhaus schaukeln, doch sein Gegen – spieler, der erst 23-jährige Beau Hossler aus den USA, machte ihm ab der 12 die Sache schwer und schwerer, denn er holte Birdie um Birdie (vier in Folge) auf und ging nach Bahn 15 sogar mit einem Schlag in Führung. Mit dem buchstäblich letzten Putt an der 18 – einem Sechsmeterhammer – gelang Poulter noch der Ausgleich zur −19/269! Also musste ein Play-off die Entscheidung bringen. Hossler, seinem ersten großen Erfolg auf der PGA Tour schon so nahe, zollte den Umständen des Stechens dann derart Tribut, dass er an dem Par 4 der 18 ganze sieben Schläge benötigte. Poulter dagegen scorte souverän zum Par und sicherte sich nach den mehr als aufregenden Tagen und einem Wechselbad der Gefühle seinen 17. Titel in der besten Golfliga der Welt.
Was für ein Finish, was für eine geniale Story: In buchstäblich letzter Sekunde sicherte sich Ian Poulter, neben dem üppigen Scheck für den Sieger, den Start beim Masters, dazu wertvolle 500 FedEx Cup Punkte, die ihn von Rang 109 bis auf Platz 20 katapultierten. Seine Tour Card ist dank des Titels für die kommende Saison ebenfalls gesichert – mit uneingeschränkter Spielberechtigung – und in der Weltrangliste wurde er nach dem Coup von Houston jetzt auf der 29. Position geführt!
Sein persönliches Fazit? „Die Reise geht weiter. Ich hatte 19 gute Jahre auf der Tour und ich schätze, es kommen noch einige dazu. Es ist also noch Leben in dem alten Hund!“ Aus europäischer Sicht wäre es natürlich besonders erfreulich, wenn Poulters Leistungssteigerung über den Sommer anhielte, beim Ryder Cup ist er quasi unverzichtbar! Kaum ein anderer verkörpert den besonderen Spirit des Teamwettbewerbes derart intensiv wie er. Es wäre sein sechster Auftritt für das Team Europa. Drücken wir die Daumen, dass es klappt!