
Nelly Korda (Foto: Gregory Shamus/Getty Images)
Das Korda-Gen
So wie die Kretzschmars im Handball, die Klitschkos im Boxen oder die Neureuthers im Skisport feste Größen sind – so stehen die Kordas für Bestleistungen im Golf und im Tennis. Profigolferin Nelly Korda, die jüngste Tochter der US-amerikanischen Familie, sorgt derzeit auf der LPGA Tour für Furore. Nachdem die 20-Jährige Anfang der Saison in Australien den Familien-Grand-Slam perfekt machte, avanciert die Newcomerin jetzt zur erfolgreichsten Proette ihres Landes.
- 25. Juli 2019
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Ein oder gleich zwei berühmte Elternteile zu haben, ist oftmals Fluch und Segen zugleich. Einerseits spornen deren Erfolge zu Höchstleistungen an, andererseits können die Familienbande auch für enormen Druck sorgen. Diesen Zwiespalt spürte auch Nelly Korda, das zweite von drei Kindern der ehemaligen Tennisprofis Petr Korda und Regina Rajchrtová. Mit ihrem Triumph bei der ISPS Handa Women’s Australien Open Mitte Februar platzte jedoch der Knoten. Seit ihrem zweiten Sieg auf der LPGA Tour spielt die 20-Jährige wie entfesselt und gilt als eine der heißesten Anwärterinnen auf einen Major-Gewinn. Kein Wunder, denn der Coup, der ihr in Down Under glückte, war für die US-Amerikanerin ein ganz besonderer.
Der Korda-Clan, in dem alle fünf Mitglieder Leistungssportler waren oder sind, fühlt sich in Australien nämlich besonders wohl. Mit seinem ersten und einzigen Grand-Slam-Titel feierte Vater Petr bei den Australian Open 1998 im Tennis nicht nur seinen größten Erfolg, sondern begründete auch eine Tradition. Nach ihm gewannen nämlich auch die älteste Tochter Jessica – 2012 bei der Women’s Australian Open auf der LPGA Tour – sowie Sohn Sebastian – 2018 bei der Australian Open Junior Boys im Tennis – auf dem Fünften Kontinent. In diesem Jahr komplettierte Nelly den australischen Grand-Slam. Mit zwei Schlägen Vorsprung verwies sie die Weltranglistenerste Jin Young Ko auf Rang 2 und setzte im The Grange GC die beeindruckende Historie fort. 21 Jahre nachdem sie im Bauch von Mutter Regina live beim Triumph ihres Vaters in Melbourne dabei war. Wenn das kein Schicksal ist! „Ich bin froh, endlich Teil des Clubs zu sein. Diese Rolle als Außenseiterin fühlte sich nicht gut an. Ich habe den ganzen Tag für meine Eltern gespielt und ich bin sehr stolz darauf “, gab die Gewinnerin erleichtert und überglücklich preis. Genau wie ihre Geschwister imitierte sie nach der Sieg – erehrung den bekannten Scherensprung des Familienoberhauptes, den der gebürtige Tscheche nach jedem seiner insgesamt zehn Titel zum Besten gab.
Was für eine Talentschmiede
Aufgrund eines positiven Dopingtests endete dessen Karriere wenige Monate nach seinem Big Point jäh. Gemeinsam mit seiner Frau wanderte er in die USA aus, ließ sich in Bradenton in Florida nieder. Am Sitz vieler Tennisakademien und Golfschulen entwickelten die drei Kinder schnell ihre Liebe zum Sport. Während Experten die Sprösslinge im heimischen Wohnzimmer schulten, kümmerten sich die sportbegeisterten Eltern um Trainer, passendes Equipment und die perfekten Übungsbedingungen. „Meine Titel sind bedeutungslos geworden. Jeden Tag ihren Bus zu fahren und sie scheitern oder gewinnen zu sehen – darum geht es in meinem Leben, und ich genieße jedes bisschen davon“, betonte der einstige Top-Athlet Petr Korda in einem Interview. Sebastian entschied sich trotz seines niedrigen Handicaps für eine Laufbahn im Tennis, die beiden älteren Schwestern präferierten die zweite Leidenschaft ihres Vaters – das Spiel mit der kleinen weißen Kugel. Jessica begann im Grundschulalter mit dem Golf – unterricht, die sechs Jahre jüngere Nelly bereits als Kindergartenkind. Entsprechend verbrachten die beiden Mädchen viel Zeit miteinander – auf und neben dem Golfplatz. Beide berichten bis heute von einer ganz besonderen Beziehung zueinander, obwohl sie mittlerweile Kontrahentinnen sind.
Sister Act
Davon wollen Jessica und Nelly aber nichts wissen. „Es ist eher ein freundschaftlicher Wettstreit zwischen uns. Wir wünschen der jeweils anderen den Erfolg. Wir sind Blutsschwestern, aber wenn wir die Wahl hätten, wären wir auch beste Freundinnen“, betont Nelly oft. Während Jessica seit 2011 auf der US-amerikanischen Profi-Tour abschlägt und bereits fünf Turniersiege verbuchte, schaffte Nelly 2017 den Sprung in die erste Liga – nur ein Jahr nach ihrem Wechsel zu den Professionals. Seitdem die Schwestern bei den gleichen Turnieren aufteen, sind sie noch enger zusammengerückt, geben sich gegenseitig Tipps und pushen sich damit eigenen Aussagen zufolge enorm. Von diesem Zusammenspiel profitiert seit ihrem Premieren-Coup auf der LPGA, im Oktober 2018 gewann Nelly die Swinging Skirts LPGA Taiwan Championship, vor allem die Jüngere – auch weil Jessica vermehrt mit Verletz – ungen zu kämpfen hat. Nur vier Monate nach Titel Nummer eins fügte die Zweitgeborene mit dem Sieg in Australien den zweiten LPGA Tour Triumph ihrer Vita hinzu. Doch damit nicht genug! In der laufenden Saison verpasste sie erst einmal den Cut und rangierte bereits sieben Mal in den Top-Ten. Ob ihrer guten Leistungen überholte Nelly ihre ältere Schwester bereits in der Weltrangliste und gehört seit Mitte Februar ununterbrochen zu den Top 12 der Welt. Nach ihrem geteilten zweiten Rang beim Bank of Hope Founders Cup zog sie im März sogar an der großen Lexi Thompson vorbei, die seit Jahren die US-amerikanische Fahne im asiatischdominierten Damengolf hochhält.
Drang nach Perfektionismus
Zwar musste Nelly Korda diesen Platz an der Sonne vorerst wieder räumen und der 24-Jährigen aus Coral Springs in Florida das Top-Ranking aus US-Sicht überlassen, mit dem derzeit 12. Platz in der Weltrangliste kann die Newcomerin dennoch zufrieden sein. Vor allem, weil sie auch in allen anderen wichtigen Wertungen auf Augenhöhe agiert. In der Geldrangliste, dem Race to the CME Globe, belegt sie derzeit den sechsten Platz. Ein eindeu – tiger Beweis für die Konstanz der jungen Athletin, die erst lernen musste, dass ihr Perfektionismus auch ein Hindernis sein kann. „Ich will eigentlich immer perfekt trainieren, die ganze Zeit perfekt spielen. Langsam fange ich aber an zu begreifen, dass man einfach nicht immer perfekt sein kann – siegreich aber dennoch“, offenbarte Nelly Korda auf die Frage, was sie als Profi gelernt habe. Ihr Trainer David Whelan und ihr Vater erinnerten sie stets daran, dass es auf den richtigen Mix zwischen Fokussierung und Entspannung ankomme. „Offenbar gibt es für sie derzeit keine Grenzen“, lobte indes Solheim-Cup- Kapitän Juli Inkster den erfolgreichen Youngster. „Sie trifft alle Bälle nach Belieben“, fügte sie mit Blick auf die Zweitplatzierte im Qualifikationsranking für den Interkontinentalwettbewerb an. Somit könnte sich Nelly Korda im September beim Duell gegen die Mannschaft aus Europa im schottischen Gleneagles gleich zwei Träume erfüllen. Einerseits mit ihrer ersten Teilnahme am Pendant zum Ryder Cup überhaupt und andererseits mit der Chance, gemeinsam mit ihrer Schwester Jessica als Duo aufzuteen – als erstes Geschwisterpaar überhaupt.
Es wäre der nächste Schritt in einer noch jungen Karriere. „Es gab schon etwas Druck, die Korda-Tradition fortzusetzen, aber ich denke, ich habe endlich meinen eigenen Weg eingeschlagen“, erklärte die 1,78 Meter große Athletin jüngst. Nelly Korda schreibt nun an ihrer ganz eigenen Erfolgsgeschichte!