
Tommy Fleetwood (Foto: Francois Nel/Getty Images)
Märchenhafter Aufstieg
Einst konnte sich Tommy Fleetwood das Greenfee nicht leisten, jetzt gehört er zu den besten Golfern auf der PGA Tour. Die Geschichte des 27-Jährigen, der sich als Kind auf Golfkurse schlich, später als Amateur für Furore sorgte und bei den Professionals lange um seine ‧Reputation kämpfte, liest sich wie ein Hollywood-Plot – einzig auf das ganz große Happy End wartet der sympathische Engländer noch.
- 4. Oktober 2018
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Sechs Top-Ten-Ergebnisse feierte Tommy Fleetwood in dieser Saison bereits – doppelt so viele wie insgesamt seit seinem Wechsel auf die PGA Tour im Jahr 2014. Seine besten Resultate bei den Major-Turnieren erzielte er ebenfalls in den vergangenen Monaten. Bei dem Profi aus dem nördlich von Liverpool gelegenen prestigeträchtigen Golfstädtchen Southport – der dort ansässige Royal Birkdale Golf Club amtierte schon mehrfach als Gastgeber der British Open – läuft es derzeit also bestens. Mit T17 beim Masters, T12 bei The Open Championship und gar einem zweiten Platz bei der U.S. Open 2018 egalisierte der als sehr humorvoll bekannte Athlet reihenweise seine bisherigen Bestmarken. Doch diese Leistungsexplosion kommt nicht von ungefähr.
Alles zurück auf Anfang
Um den Wandel im Spiel von Tommy Fleetwood nachvollziehen zu können, der wohlbemerkt Mitte 2016 noch auf Platz 188 der Weltrangliste rangierte, lohnt ein Blick zurück. Nach seiner beeindruckenden Bilanz als Amateur – welche Siege beim Scottish Amateur Stroke Play Championship 2009 und der English Amateur 2010 einschloss – wechselte der Young‧ster 2010 zu den Professionals. Dort tat sich der junge Brite ‧allerdings zunächst sehr schwer. Zwei Jahre gelang es ihm nicht, bei den Berufsgolfern Fuß zu fassen, Ende 2012 sicherte er sich gar erst im letzten Turnier die neue Saisonkarte für die European Tour. Ein Jahr später durfte Fleetwood dann endlich bei der Johnnie Walker Championship in Gleneagles erstmals einen Profisieg feiern. Doch der erhoffte Durchbruch glückte dadurch immer noch nicht, vielmehr sah es so aus, als reichte sein unbestritten großes Talent nicht zur notwendigen ‧Konstanz, um auf höchstem Niveau dauerhaft erfolgreich zu sein. Fleetwood haderte vor allem mit seinem Schwung, verlor die Fähigkeit den Ball erfolgreich ins Spiel zu bringen, obwohl sein Drive ihn jahrelang auszeichnete. Daraufhin veränderte er 2015 sein Trainer-Team. Aber auch der Wechsel zu Pete ‧Cowen und Mike Walker zeigte nicht die gewünschte ‧Wirkung, weshalb Fleetwood einige Monate später reumütig zu Alan Thompson zurückkehrte. Der Mann, der ihn bereits seit Kindestagen kennt und seit seinem 13. Lebensjahr ‧trainierte, formte aus ihm wieder einen Spitzengolfer. In Interviews erklärte sein Schützling, erst die Arbeit Thompsons ‧habe es ihm ermöglicht, den miserablen Lauf zu beenden, der seine Karriere bedrohte.
Später Durchbruch
Auf der Position des Caddies setzte der Mann, der in Sachen Mode gern mal Statements setzt, ebenfalls auf vertraute ‧Kräfte. Nachdem zunächst sein Vater Pete als Begleiter an der Tasche agierte, wegen Knieproblemen dieses Amt jedoch aufgeben musste, entschied er sich, seinen besten Freund Ian ‧Finnis zu engagieren, der ihm schon als Amateur zur Seite stand. Und – die Veränderungen zahlten sich aus! 2017 folgte endlich der ersehnte Durchbruch. Mit wiedererlangtem Selbstbewusstsein gewann Tommy Fleetwood im Januar sein zweites Event auf der European Tour, die Abu Dhabi HSBC Golf Championship – mit einem Schlag vor dem derzeitigen Weltranglistenersten Dustin Johnson.
In den darauffolgenden Monaten musste er sich zwar mit zwei zweiten Plätzen zufriedengeben, seine Runner-ups bei der WGC-Mexiko Championship im März und der Shenzhen ‧International im April sorgten aber für Aufmerksamkeit. Fleetwood schien endlich dort angekommen zu sein, wo er immer hin wollte – in der absoluten Weltspitze.
Es läuft: privat und beruflich
Scheiterte er bei seiner ersten Masters-Teilnahme noch am Cut, glänzte er bei der U.S. Open im Juni mit einem hervorragenden 4. Platz und freute sich nicht lange danach über Titel Nummer 3 auf der European Tour, als er bei der Open de France triumphierte. Kurz bevor dann sein persönliches Highlight – die Teilnahme an The Open Championship in ‧seinem Heimatort – anstand, machte Fleetwood dank seiner guten Leistungen den Sprung in die Top 20 der Weltrangliste perfekt. Was für eine Wende binnen eines Jahres! Obwohl es für ihn im Royal Birkdale Golf Club nicht bis ganz nach oben ging (letztlich T27), beschrieb Fleetwood sein Abschlagen beim ältesten Major als etwas ganz Besonderes: „Ich habe mich als Kind mit meinem Vater oft heimlich auf den Platz geschlichen und ein paar Löcher gespielt. Und dann sind wir immer davongelaufen, bevor uns die Mitglieder erwischten. Es ist kaum zu glauben, dass ich nun ganz offiziell hier abschlage“. Sein Vater erhielt als Asphaltbauer schlicht nicht die Möglichkeit, in den altehrwürdigen Club aufgenommen zu werden. So frönten die beiden Golfbegeisterten ihrer Leidenschaft auf dem nahegelegenen Platz von Formy Hall. Was für ein ‧Sport-Märchen! Privat verlief das Jahr für den Engländer ebenfalls sehr positiv. Im September verkündete er stolz die Geburt ‧seines ersten Sohnes Franklin. Nach dem Gewinn des Race to Dubai gab er zudem seiner Freundin und Managerin Claire Craig das Ja-Wort.
Hoffen auf den großen Coup
Doch damit nicht genug, 2018 setzte sich die Erfolgsgeschichte des Mittzwanzigers fort. Im Januar wiederholte er seinen Sieg in Abu Dhabi und enterte auch dank seiner famosen Leistung bei der U.S. Open, bei der er den Titel nur um Haaresbreite gegen den US-Amerikaner Brooks Koepka verpasste, die Top Ten der Weltrangliste. Eine Entwicklung, die Fleetwood selbst zwei ‧Jahre zuvor nicht mehr für möglich gehalten hatte. „Meine Formkrise zog sich von Juli 2015 bis Juli 2016 und war mehr als das. Ich hatte ein wirklich schlechtes Jahr und war praktisch hoffnungslos verloren“, erklärte er rückblickend in einem Interview. Er habe sich seinerzeit die besten Golfer angesehen und festgestellt, dass deren Spiel deutlich erwachsener sei und sie ‧ihren Schwung besser verstünden. Inzwischen habe er dies auch gelernt und zurück zu seiner alten Stärke gefunden. Fast zumindest, denn was ihm zur Krönung fehlt, ist sein erster richtig großer Titel. „Bevor man nicht gewonnen hat, kann man sich nie sicher sein, ob es tatsächlich möglich ist“, betonte er mit Blick auf seine PGA Tour-Bilanz und verdeutlichte damit seine Sehnsüchte. Zu wünschen wäre es dem sympathischen Engländer in jedem Fall – egal, ob auf der PGA Tour oder mit der europä‧ischen Equipe beim Ryder Cup, der im September in Frankreich stattfindet. Genau wie der italienische Überflieger der ‧Saison, Francesco Molinari, und der spanische Newcomer Jon Rahm ist Fleetwood nach seiner Auferstehung im vergangenen Jahr aus dem Team für Europa nicht mehr wegzudenken.